Kindschaftsrechtsreform

Mit dem KindRG vom 16.12.1997 hat der Gesetzgeber insbesondere das Recht der elterliche Sorge (§§ 1626a, 1671 BGB) und das Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern als sein subjektives Recht, und zwar identisch für eheliche wie für nichteheliche Kinder neu geregelt (§ 1626 Abs. 3, 1684 BGB).

Siehe dazu die Studie Proksch: Rechtstatsächliche Untersuchung zur Reform des Kindschaftsrechts, Köln 2012

Normiert wurde auch der grundsätzliche Vorrang der Elternautonomie vor gerichtlicher Regelung (§§ §§ 1627, f BGB, 36, 36 a, 135, 156, 163, 165 FamFG). Die gemeinsame elterliche Sorge nach Trennung oder Scheidung ist (in der Praxis) seitdem zum Regelfall geworden. Das KindRG sah erstmals auch die Möglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge für Eltern von nichtehelicher Kindern vor (§§ 1626a ff. BGB – dazu Proksch 2002, 108ff.). Das ‚Alleinsorge-Monopol’ der nichtehelichen Mutter blieb jedoch weiter grundsätzlich unangetastet (§§ 1626a, 1672 BGB). Ohne Zustimmung der Mutter konnte der Vater nach wie vor nicht die gemeinsame elterliche Sorge erlangen. Auch eine gerichtliche Überprüfung der mütterlichen Verweigerung war nicht vorgesehen. Dieses „Alleinsorge-Monopol“ der nichtehelichen Mutter hatte in Deutschland bis 2010 Bestand.

Erst Entscheidungen des EGMR (z.B. Urteil des EGMR vom 3. 12. 2009 in Sachen Zaunegger ./. Deutschland, Beschwerde Nr. 22028, FamRZ 2010, S. 103ff.) veranlassten das BVerfG zu einer Revision seiner bisherigen Rechtsauffassung.

Mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (BVerfG, 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403 m. Anm. Luthin, 1410) urteilte das Gericht, „es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art.6 Abs.2 GG, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen“. Das Gericht forderte den Gesetzgeber auf, die elterliche Sorge bei nichtehelichen Eltern neu zu regeln.

Zur verfassungskonformen Anpassung der vom EMGR und BVerfG verworfenen Regelungen normierte
das „Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern“ (BGBl.I S. 795 vom 16. 4. 2013, in Kraft 19. Mai 2013) die §§ 1626 a- e BGB, 155 a FamFG. Die neuen Regelungen ermöglichen die gemeinsame elterliche Sorge auch für „nichteheliche Vater“, auch gegen den Willen der Mutter, wenn die Übertragung der „Mitsorge“ dem Kindeswohl nicht widerspricht. Erklärt die Mutter nicht von selbst ihr Einverständnis zur gemeinsamen Sorge, kann der Vater entweder beim JA eine Einigung mit der Mutter zu erreichen versuchen oder er kann das FamG anrufen. Das FamG entscheidet in einem beschleunigten Verfahren, § 155a Abs. 3 FamFG, und überträgt auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge (oder einen Teil davon) beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht, § 1626a Abs. 2 Satz 1 BGB, sog. negative Kindeswohlprüfung.

Auch zum Recht des Kindes auf Umgang korrigierte der EGMR ablehnende Entscheidungen deutscher Gerichte (EGMR v. 21.12.2010 – Beschwerde Nr. 20578/07 L – A./.Deutschland; EGMR v. 15.9.2011 – Beschwerde Nr. 17080/ 07) auf Umgang mit und Auskunft des nichtrechtlichen, (auch mutmaßlichen) biologischen Vaters über sein Kind, der zwar die Absicht und tätiges Interesse gezeigt, aber nicht die Möglichkeit hatte, mit dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufzubauen, weil z.B. die Mutter des Kindes und der rechtliche Vater jeden Kontakt des leiblichen Vaters mit seinem Kind ablehnen.
Zur EMRK-gemäßen Anpassung des deutschen Rechts trat am 13. Juli 2013 das „Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters“ vom 4. Juli 2013 (BGBl I 2013 vom 12. 7. 2013, S. 2176), in Kraft.

Nach dem neuen § 1686 a BGB erhält der biologische Vater eines Kindes, welches bereits einen rechtlichen Vater hat, unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen der Mutter ein Umgangs- und Auskunftsrecht sowie im Zuge dieser Verfahren die Möglichkeit, seine leibliche Vaterschaft feststellen zu lassen. Dies auch dann, wenn sein Kind mit dessen rechtlichem Vater in einer (intakten) sozialen Familie lebt und er zu seinem Kind (bisher noch) keine enge persönliche Beziehungen hatte. Danach soll es für das Umgangs- und Auskunftsrecht des leiblichen Vaters künftig nicht mehr (wie bisher) darauf ankommen, dass eine enge Beziehung zum Kind besteht oder bereits bestanden hat. Entscheidend soll vielmehr sein, ob der Vater durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen will und ob der Umgang mit ihm dem Kindeswohl dient, unabhängig davon, ob zum Kind bereits eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat.

Berechtigt, diese Rechte geltend zu machen, ist der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, § 167 a Absatz 1 FamFG. Zur Sicherung dieser Rechte hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zu dulden, soweit es in einem das Umgangs- und Auskunftsrecht nach § 1686a BGB betreffenden Verfahren zur Feststellung der leiblichen (biologischen) Vaterschaft erforderlich ist, es sei denn, dass die Untersuchung nicht zugemutet werden kann (§ 167 a Abs. 2 FamFG).