Gemeinsame elterliche Sorge für nichteheliche Eltern

Seit dem 19. Mai 2013 ist das „Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16. April 2013, BGBl I vom 19. April 2013, S. 795 ff), in Kraft.

Das neue Gesetz erleichtert unverheirateten Vätern den Zugang zur gemeinsamen elterliche Sorge für ihre (nichtehelichen) Kinder, auch gegen den Willen der Mutter. Im Interesse des Kindes normiert das Gesetz ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Sorge auch bei nicht verheirateten Eltern (vgl. Proksch, Rechtstatsächliche Untersuchung zur Reform des Kindschafstrechts, Köln 2002, S. 108 ff). Zwar hat weiter die Mutter ab Geburt des Kindes die alleinige Sorge. Doch eröffnet die Neuregelung die Übertragung der gemeinsame Sorge durch das Familiengericht auf die Eltern auch gegen den Willen der Mutter, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Ein Vater soll nur dann von der Sorgeverantwortung ausgeschlossen bleiben, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Im Mittelpunkt der Neuregelungen steht somit stets das Kindeswohl,wie schon immer § 1697 a BGB vorgegeben hat.

Der Gesetzgeber setzt damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09) fest: „Es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen“.

Das Bundesverfassungsgericht folgte mit dieser Entscheidung dem Urteil des EuGHMR vom 3. Dezember 2009 (Rechtssache Zaunegger./ Bundesrepublik Deutschland, Beschwerde Nr. 22028/04). Der EuGHMR urteilte, dass die Anwendung des § 1626 a Absatz 2 BGB den nicht mit der Mutter seines Kindes verheirateten Vater in seinem Recht auf Achtung des Familienlebens diskriminiere und daher eine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten –EMRK-vorliege.
In seiner ersten Entscheidung vom 29. Januar 2003 (1 BvL 20/99/1 BvR 933/01) hatte das Bundesverfassungsgericht § 1626 a BGB im Wesentlichen noch für verfassungsgemäß bewertet.


Zur verfassungskonformen Anpassung der vom EMGR und BVerfG verworfenen Regelungen des § 1626 a BGB hatte die Bundesregierung am 4. 7. 2012 den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern“ beschlossen (BR-Drucks 465/12 vom 10. 8. 2012). Der „nichteheliche Vater“ soll zukünftig die Mitsorge auch dann erlangen können, wenn die Mutter dem nicht zustimmt. Der Entwurf sieht gemäß §§ E 1626 a, 1671 BGB ein abgestuftes Verfahren vor. Erklärt die Mutter nicht von selbst ihr Einverständnis mit der gemeinsamen Sorge, hat der Vater die Wahl: er kann entweder versuchen, beim JA eine Einigung mit der Mutter zu erreichen oder er kann das FamG anrufen.
Das Familiengericht entscheidet auf Antrag des Vaters in einem beschleunigten und vereinfachten Verfahren. Dabei sind die Anhörung des Jugendamts und eine persönliche Anhörung der Eltern entbehrlich, sofern die Mutter entweder gar nicht Stellung nimmt oder sich zwar äußert, wobei die Gründe, die sie gegen die gemeinsame Sorge vorträgt, solche sind, die mit dem Kindeswohl nicht im Zusammenhang stehen (E § 155 a Abs. 3 FamFG).

Das FamG überträgt die elterliche Sorge (oder einen Teil davon) beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (E § 1626a Abs. 2 Satz 1 BGB, negative Kindeswohlprüfung).Im gerichtlichen Verfahren erhält die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag des Vaters. Die Frist dafür endet frühestens sechs Wochen nach der Geburt (E § 155a Abs. 2 Satz 2 FamFG. Durch diese Frist soll sichergestellt werden, dass die Mutter nicht noch unter dem Eindruck der Geburt eine Erklärung im gerichtlichen Verfahren abgeben muss. Dem Vater wird der Zugang zur Alleinsorge auch ohne Zustimmung der Mutter eröffnet. Voraussetzung dafür ist, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht (E § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Das gesetzgeberische Ziel, das Modell der gemeinsamen elterlichen Sorge möglichst zum Regelfall zu machen, wäre einfacher, schneller und zuverlässiger, ohne vermehrte Aufgaben und Arbeit bei JÄ und FamG, zu erreichen, würde man die gemeinsame elterliche Sorge z. B. für nach der Reform geborene Kinder kraft Gesetzes eintreten lassen und für sog. „Altfälle“ die im Entwurf gemäß § 1626 a Abs. 1, Abs. 2 BGB enthaltene Übergangsregelung mit negativer Kindeswohlprüfung beibehalten.